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Angedacht

Monatsspruch für Mai 2023

Weigere dich nicht dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.

Buch der Sprüche Kapitel 3, Vers 27

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Wir sitzen im Wartezimmer einer Arztpraxis. Jeder von uns hat es am Schalter vorbei, hier herein geschafft.

Wir, dass sind: Die Frau mit dem Arm in einer Schlinge; der Mann, der sehr blass in seinem Gesicht ist; der alte Herr mit dem genervten Blick; der Mann im Anzug, der im Sekundentakt auf seine Uhr schaut und ich.

Der Frau mit dem Arm in einer Schlinge wird aufgerufen. Und so geht es weiter bis auch ich aufgerufen wurde und jeder erfahren hat, wie es weitergeht, eine Behandlungsmöglichkeit hat, ein Rezept bekommen hat oder eine Überweisung zum Facharzt hat.

Unvorstellbar in dieser Situation wäre, dass die Ärztin aufhören würde Leute aufzurufen, bevor der oder die Letzte, die es ins Wartezimmer geschafft hat, in ihr Besprechungszimmer gewesen wäre. Also kurz: Das Menschen ohne die Ärztin gesehen zu haben, nach Hause geschickt werden würden. In der Berufsbeschreibung eines Arztes steht sozusagen „Weigere dich nicht dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“ Zumindest solange sie in der Praxis sind. Wie das dann nach Feierabend aussieht, ist eine andere Frage.

„Weigere dich nicht dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“ Oder: „Tue dem Bedürftigen Gutes, wenn deine Hand es vermag.“

Dieser Vers ist für mich der Inbegriff der Nächstenliebe. Wir werden aufgefordert „dem Bedürftigen“ „Gutes zu tun“. Der Bedürftige ist eine Person. Dort steht nicht: „Weigere dich nicht den Bedürftigen Gutes zu tun“. Wir dürfen klein anfangen. Wir müssen nicht das Leid der Welt auf unser Rücken nehmen, sondern dürfen eine Person ganz persönlich ansehen. Diese Person in ihrer Bedürftigkeit wahrnehmen und ihr ganz zielgerichtet helfen, wenn wir es denn vermögen.

Die Ärztin, die eine Hausarztpraxis hat, schickt Menschen durchaus auch an eine andere Stelle weiter, wenn sie denkt, dass die Spezialisten dort, sich des Patienten anders annehmen könnten und dem Patienten besser helfen würden. Denn sie nimmt an sich selbst wahr, dass sie es nicht vermag ausreichend zu helfen.

Wenn wir nochmal von diesem Beispiel weggehen. Dann ist es vielleicht auch so, dass wir keine Zeit, keine Kraft, kein Wissen haben dem Bedürftigen zu helfen. Dann spricht uns dieser Vers auch frei davon, dem Bedürftigen zu helfen. Dann sind vielleicht auch wir die, die Hilfe annehmen dürfen.

Der Arzt oder die Ärztin, der oder die durchaus bereit ist, sich dem Patienten anzunehmen, ihn aber weiterschickt, weigert sich ja auch nicht sich um den Bedürftigen zu kümmern, sondern sieht ein, dass er da einfach nicht der richtige Ansprechpartner oder die richtige Ansprechpartnerin ist. Er tut aber, was er kann, indem der Patient dann überwiesen wird.

So geht es beim „dem Bedürftigen Gutes tun „nicht nur darum den Bedürftigen wahrzunehmen, sondern auch sich selbst. Mit dem, was man mitbringt, aber auch mit dem, was man nicht mitbringt.

Denn Gott sieht deinen Nächsten und dich. Gott fordert auf, liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Du bist der Maßstab. Wenn du dich selbst liebst und wahrnimmst. Dann siehst du auch, wo du Grenzen hast. Dann kannst du diese Liebe aber auch weitergeben und machst, was du tust, nicht aus einem „Ich muss“ doch lieben, sondern aus einem „Ich kann und darf meinen Nächsten lieben“, weil auch ich versorgt bin.

Also:

„Weigere dich nicht dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“

Myriam Brandherm

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